MariTIM – Maritime Technologien und Innovationen – Modellregion Deutschland/Niederlande
Nach der überdurchschnittlichen Betroffenheit der Branche durch die Wirtschafts- und Finanzkrise muss sich heute vor allem der Schiffbau immer mehr auf Nischenbereiche und neue Technologien konzentrieren, um zukunftsfähig zu sein. Zusätzlich erfordern der stetige Anstieg betriebswirtschaftlicher Kosten, insbesondere steigende Mineralölpreise, sowie höhere Umweltstandards die Entwicklung „grünerer“ und effizienterer Schiffe. Der Innovationsdruck auf Deutschland und die Niederlande als führende Schifffahrtsstandorte ist groß, die Innovationsneigung der Branche jedoch häufig ausbaufähig.
Vor diesem Hintergrund steht die deutsch-niederländische Grenzregion mit ihrem maritimen Profil in einer besonderen Verantwortung. Neue Schiffdesigns, ein verstärkter Einsatz intelligenter Technologien und vor allem neue Antriebssysteme für die Schiffe von morgen sind die Handlungsfelder. Führende Unternehmen und Wissenseinrichtungen der maritimen Branche aus dem erweiterten deutsch-niederländischen Grenzraum fanden sich zusammen, um aus der Bündelung ihrer Potenziale neue Impulse für die internationale Schifffahrt zu setzen.
Der Ursprung des Kooperationsprozesses startete bereits Anfang 2010 unter Initiierung und Koordinierung des Maritimen Kompetenzzentrums MARIKO in Leer. Operativ warendie Projekte seit Anfang 2012 tätig.
Die Fahrgastschifffahrt in Europa wird heute weitgehend konventionell mit normalem Schiffsdiesel als Kraftstoff betrieben. Dieses trifft auch auf den deutsch-niederländischen Grenzraum zu. Gerade hier bewegt sich die Fahrgastschifffahrt jedoch in teilweise sehr umweltsensiblen Gebieten. Dieses gilt sowohl für den Fährverkehr zu den friesischen Inseln, der durch den Nationalpark Wattenmeer verläuft, als auch für die Rundfahrtschifffahrt in teilweise sensiblen Binnengewässern. Die entstehenden Abgas- und Geräuschemissionen der Schiffe können den Schutzbedürfnissen dieser naturräumlich wertvollen Gebiete nicht gleichkommen.
Auch Schärfere Umweltauflagen sind für die Schifffahrt ein Grund, auf alternative und umweltfreundlichere Treibstoffe umzustellen. Eine der Möglichkeiten ist die Umstellung auf LNG. Der LNG-Einsatz bietet neue Chancen, birgt aber auch noch eine Reihe von Unsicherheiten beispielsweise in infrastruktureller, logistischer und rechtlicher Hinsicht. Auch wirtschaftlich ist LNG eine attraktive Alternative zu regulären Treibstoffen.
Im Innovationsprojekt „LNG Passenger Vessel” haben sich deutsch-niederländische Partnerunternehmen zusammengetan, um zum Schutz von naturräumlich sensiblen Wasserrevieren durch Einführung einer nachhaltigen Schiffsantriebstechnologie beizutragen. Im Rahmen des Projektes erfolgte eine Untersuchung der technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit eines LNG-elektrischen Antriebssystems in der Fahrgastschifffahrt auf Basis zweier Fallstudien. Bei der ersten Fallstudie handelt es sich um ein Fahrgastschiff der Rondvaardij Princenhof für max. 250 Passagiere, das im niederländischen Binnenland, in einem Landschaftsschutzgebiet, zum Einsatz kommt. Das zweite Vorhaben betrifft die Borkumfähre „MS Ostfriesland“ der AG EMS: Mit Hilfe eines Untersuchungskonzeptes und einer Machbarkeitsstudie wurden die Rahmenbedingungen für die Umrüstung der 1985 gebauten Fähre, die zwischen Emden, Eemshaven und Borkum operiert, geprüft. Basierend auf den Erkenntnissen erfolgte die Umrüstung der „MS Ostfriesland“. Im Zuge dieser „Major conversion“ wurde die Fähre um 15 Meter verlängert und mit einer elektrischen Plattform versehen, die durch ein Set Dual-Fuel-Generatoren (jeweils 1056 kW der Marke Wärtsilä) sowie ein Set LNG-Generatoren (jeweils 394 kW der Marke Mitsubishi) gespeist wird. Kürzlich ging die „MS Ostfriesland“ als erste LNG-angetriebene Fähre unter deutscher Flagge wieder in Fahrt.
Innerhalb der Transportbranche stellt die Binnenschifffahrt ein besonderes Segment das. Einerseits gilt das Binnenschiff bereits heute als eines der umweltfreundlichsten Verkehrsträger. Andererseits ist die Innovationsneigung in der Binnenschifffahrt vergleichsweise gering ausgeprägt. Neue Innovationsimpulse werden jedoch benötigt, um die Wirtschaftlichkeit der Branche zu sichern und sie noch stärker als umweltfreundliche Transportalternative zu platzieren.
Zu diesem Zweck haben sich einige der fortschrittlichsten Unternehmen und Organisationen aus der maritimen Branche zusammengeschlossen und ein grenzübergreifendes Konsortium unter dem Namen ECO2 Inland Vessel gebildet. Das Ziel der Gruppe war die Erforschung und der Systemvergleich unterschiedlicher Antriebskonzepte, um den effizientesten und wirtschaftlichsten Antrieb für verschiedene Typen von Binnenschiffen zu identifizieren. Dabei wurden alle relevanten Faktoren wie Fahrtgebiet, Fracht, Schiffslänge und Fahrprofil berücksichtigt. Zwischenzeitlich wurden im Projekt ECO2 Inland Vessel vier konkrete Schiffe realisiert, die als Vorbild und Wegbereiter für die gesamte Binnenschifffahrtsbranche dienen können. Dazu zählen das weltweit erste auf LNG (Liquefied Natural Gas) umgerüstete Binnenschiff der Reederei Danser (Koppelverband “Eiger-Nordwand“) sowie der erste im Norden der Niederlande gebaute Tanker der Reederei Chemgas („Sirocco“)mit LNG Antrieb. Zudem wurde der Umbau eines hybriden Trockenladungsschiffs des Scheepvaartbedrijf Vranken BV unterstützt sowie der Einbau eines Moduls der Kraftstoff-Wasser-Emulsionstechnologie auf dem Doppelhüllentanker „Rudolf Deymann“ der Reederei Deymann begleitet.
Zu Beginn des vorherigen Jahrhunderts lösten windunabhängige Motorschiffe Segelschiffe ab. Im Laufe der Jahrzehnte nahmen die Kosten für fossile Treibstoffe in der Schifffahrt einen immer größeren Anteil an den laufenden Kosten ein. Klimaschutz und Ressourcenschonung sind weitere Herausforderungen, denen die Schifffahrt gegenüber steht. Auf internationaler Ebene hat die IMO (International Maritime Organisation) mit dem Internationalen Übereinkommen zur Verhinderung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL) eine Reihe von Maßnahmen und Standards verabschiedet, die dem Ziel einer sauberen Schifffahrt dienen. So wurden so genannte Emission Control Areas (ECAs) festgelegt. Dieses sind Sonderzonen der Schifffahrt, in denen u.a. spezielle Umweltrichtlinien zu Emissionen gelten. Vor diesem Hintergrund hat sich speziell für die Küstenschifffahrt ein deutsch-niederländisches Partner-Konsortium gebildet, um Emissionen zu verringern und kostenlosen Schub aus dem Wind zu ernten: Im Teilprojekt Wind Hybrid Coaster wurde dabei eine neue Generation von Motor-Rotor-Seglern entwickelt. 14 Partner aus dem deutsch-niederländischen Grenzraum arbeiteten gemeinsam an der Konzipierung und dem Bau dieses Windsegelsystems mit einem aerodynamisch arbeitenden Rotor in leichter Bauweise für kleine Schiffseinheiten. Mit hohen Umdrehungsgeschwindigkeiten kann der so genannte Flettner-Rotor (siehe Infokasten) ein breites Spektrum an Windgeschwindigkeiten energetisch ausnutzen. Durch die zusätzlich gewonnene Windenergie können der Motorantrieb und damit der Treibstoffverbrauch sowie schädliche Emissionen reduziert werden. Der Flettner-Rotor weist eine Höhe von 18 Metern und einen Durchmesser von 3 Metern auf und kann unter optimalen Bedingungen den Antrieb zu 100% übernehmen. Über die baulichen Maßnahmen hinaus wurden Aktivitäten zur Leistungsprognose und zum Thema Wetterrouting entfaltet, um die optimalen Einsatzmöglichkeiten des Flettner-Rotors zu eruieren.
Das Projekt MariGreen wird im Rahmen des INTERREG V A Programms Deutschland-Nederland mit Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und des niederländischen Wirtschaftsministeriums (Ministerie van Economische Zaken), des niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk und der Provinzen Drenthe, Flevoland, Friesland, Gelderland, Groningen, Noord-Brabant und Overijssel kofinanziert. Es wird begleitet durch das Programm-Management INTERREG bei der Ems Dollart Region (EDR).
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