Kraftstoffumstellung und Schwefelgrenze 2020 – erste Erfahrungsberichte

Online-Workshop „Alternative Kraftstoffe IV“ des Kompetenzzentrums GreenShipping Niedersachsen

28. Oktober 2020

Niedrigschweflige Kraftstoffe (VLSFO – very low sulfur fuel oil) sind eine Lösung der seit Januar geltenden Schwefelgrenzwerte, zu deren Einsatz im Rahmen einer Onlinekonferenz am 28.10.20 berichtet wurde. Die mit dem Einsatz verbundenen Herausforderungen sind vielfältig, weshalb auch die Erfahrungen mit Alternativen wie LNG (Liquefied Natural Gas) präsentiert wurden. Darüber hinaus berichteten Referenten über den Einsatz von Methanol und Wasserstoff als Kraftstoffalternativen sowie über die Kraftstoffeinsparung durch die Verwendung von Windzusatzantrieben.

Die Zeit drängt

Während die Verwendung von VLSFO eine gute Anpassung an die geltenden Schwefelgrenzwerte ermöglicht, stellen sie jedoch keinen Ansatz zur Reduktion der CO2-Emissionen der Schifffahrt dar. Lösungen sind der Einsatz von synthetischen Kraftstoffen wie LNG, Methanol oder Wasserstoff. Jedoch warnt Alfred Hartmann, Präsident des Verband Deutscher Reeder: „Die Zeit drängt und wir können uns einen Flickenteppich nicht leisten. Standardisierungen und ein umweltschonender Kraftstoff müssen her für einen nachhaltigen Klimaschutz.“ Verfolgt wurde die Onlineveranstaltung von rund 200 Teilnehmern aus den Bereichen Schifffahrts-, Bunker- und Energiebranche, die der Einladung des Verbandes Deutscher Reeder, des Arbeitskreises Bunkeröle des AFM+E und FPE, der MARIKO GmbH sowie des Kompetenzzentrums GreenShipping Niedersachsen gefolgt sind. Herr Hartmann ermutigte die Teilnehmer sich aktiv an der Gestaltung der Zukunft zu beteiligen.

VLSFO im Betrieb problembehafteter als LNG

Die Umstellung auf niedrigschweflige Kraftstoffe stellte von der Versorgung her keine größeren Probleme dar. Im laufenden Betrieb zeigen sich jedoch vielfältige Probleme durch die chemischen Eigenschaften der Bunkeröle. So kommt es durch die beschleunigte Alterung der Kraftstoffe zu Sedimentablagerungen und chemischen Umwandlungen selbst in Bunkertanks. Darüber hinaus sind Separatoren und Filteranlagen von Verstopfungen betroffen, die insbesondere durch den höheren „sludge“-Anteil hervorgerufen werden. Auch Motorschäden wie defekte Einspritzdüsen und erhöhter Laufbuchsenverschleiß können Folge des Einsatzes von VLSFOs sein. Der Einsatz von Additiven kann hier für Abhilfe sorgen, um „die Ursache der Probleme zu beheben und nicht die Symptome“ so Alexander Tippl von Innospec Fuel Specialities.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass VLSFO derzeit der beliebteste Bunkertreibstoff ist, vor allem aufgrund der breiten geographischen Verfügbarkeit. Dagegen deutet der erhöhte Anstieg der Nachfrage nach HSFO (high sulfur fuel oil – hochschweflige Kraftstoffe) in den letzten sechs Monaten auf erhöhte Abgaswäscher-Nutzung im Jahr 2020 hin.

Der Betrieb der LNG-betriebenen Schiffe läuft laut den beteiligten Reedereien einwandfrei. Darüber hinaus gibt es keine nennenswerten Unterschiede bei der Bunkerung. Obwohl LNG als Kraftstoff noch Optimierungsbedarf hat (z. B. Vermeidung des so genannten Methanschlupfs), wird LNG dennoch von vielen Vertretern der maritimen Wirtschaft als ein weiterer Schritt zur Emissionsreduktion gesehen.

Saubere Alternativen im gebremsten Vormarsch

Seit vielen Jahren wird, auch in den vorherigen Veranstaltungen dieser Konferenzreihe, über alternative Kraftstoffe gesprochen. Die Fassmer Werft hat kürzlich den Auftrag für den Bau des neuen Forschungsschiffes „Uthörn“ erhalten und präsentierte Einzelheiten des Neubaus. Wesentliche Neuerung wird der Einsatz von Methanol als Kraftstoff sein, der in Verbrennungsmotoren zum Einsatz kommen wird. Herausforderungen bestehen laut Bernhard Lottmann von Fassmer im Bereich der Marktverfügbarkeit von Komponenten und deren Zulassung, was Einfluss auf viele Baugruppen des Schiffes hat.

Wasserstoff ist eine weitere saubere Alternative, zu dessen aktuellem Potential Sören Berg von der MARIKO GmbH berichtete. So sind in jüngster Zeit Wasserstoffmotoren für den maritimen Einsatz im einstelligen MW-Bereich vorgestellt worden. Auch Brennstoffzellensysteme scheinen den wichtigen Schritt in Richtung „Type Approval“ im kommenden Jahr machen zu können. Beide Technologien ermöglichen es dann, reinen Wasserstoff auf Schiffen einzusetzen. Grüner Wasserstoff basiert auf erneuerbaren Energien und deren Ausbau geht langsam voran oder stagniert sogar. Sie sind jedoch die Basis, um auch der Schifffahrt den Weg in die CO2-Neutralität zu ebnen. „Deshalb tut auch die maritime Branche gut daran, sich für den massiven Ausbau erneuerbarer Energien einzusetzen“ so Sören Berg.

„Signifikate Kraftstoffeinsparungen“ lassen sich laut Prof. Kapt. Michael Vahs von der Hochschule Emden-Leer durch den Einsatz von Windzusatzantrieben erreichen. Er berichtete vom Erfolg des auf der MS Fehn Pollux eingesetzten Flettner-Rotors, den er nach guten 6.000 Betriebsstunden jüngst selbst in Augenschein genommen hat. Der im Projekt MariGreen entwickelte Rotor und dessen Steuerung wurde zur Marktreife gebracht und erreicht Kraftstoffeinsparungen von 10 bis 20%, die alternativ auch in Zusatzgeschwindigkeit umgesetzt werden können.

Fokus auf Kraftstoffmanagement und neue Kraftstoffe

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zahlreiche Faktoren im Jahr 2020 zu der Notwendigkeit führen, sich stärker auf das Kraftstoffmanagement zu konzentrieren und die Ursachen für bestehende Probleme zu beheben, anstatt sich nur den Problemen selbst zu widmen. Darüber hinaus muss dafür gesorgt werden, dass Standards für bereits existierende Lösungen geschaffen und konsequent eingesetzt werden. Die erneuerbaren Energien und die damit verbundene Energiewende auch in der Schifffahrt müssen verstärkt fokussiert werden, um die Basis für den emissionsfreien Seeverkehr zu schaffen.

Hintergrund

In Anerkennung ihrer Verantwortung für Wirtschaft und Umwelt hat die Landesregierung das Kompetenzzentrum GreenShipping Niedersachsen an den Standorten Leer und Elsfleth auf den Weg gebracht, das gezielt und bedarfsgerecht die aktuellen und wichtigen Fragestellungen aufgreift, bewertet und mögliche Lösungen im Themenfeld GreenShipping entwickelt. Dabei wurden umfangreiche Vorarbeiten des Maritimen Strategierates Weser-Ems berücksichtigt. Es geht darum, die verfügbaren fachlichen Kompetenzen mit den relevanten Problemen in Deckung zu bringen und im Rahmen von Projekten bedarfsgerecht auf höchstem technischem Niveau einer Lösung zuzuführen. Mit dem Kompetenzzentrum für GreenShipping stellt sich Niedersachsen den konkreten Herausforderungen, Bedingungen und Wünschen der maritimen Wirtschaft mit dem Ziel, Schifffahrt zu wirtschaftlichen Bedingungen ressourcenschonender und umweltfreundlicher zu gestalten. Dabei soll das Kompetenzzentrum für GreenShipping Niedersachsen bei Umweltproblemen branchenübergreifend den Dialog mit den Beteiligten suchen und Lösungsoptionen koordinieren. Auf der Grundlage einer leistungsfähigen Infrastruktur kann das Kompetenzzentrum zudem eine Plattform für anwendungsorientierte Forschung bieten.

Das vom Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur geförderte Projekt wird von der MARIKO GmbH, dem Maritimen Cluster Norddeutschland e.V. (MCN e.V.), der Hochschule Emden/Leer, der Jade Hochschule und dem OFFIS gemeinsam realisiert.