Gute Kommunikation braucht Kompetenzen und klare Regeln

 

12. November 2021

Experten diskutieren Handlungsbedarfe und -ansätze zur Verbesserung der digitalen Kommunikation in der maritimen Wirtschaft im Innovationsforum MariConnect. 

Die maritime Branche sieht sich mit einem steigenden Innovations- und Digitalisierungsdruck aufgrund zunehmender Wettbewerbs- und Effizienzerfordernisse konfrontiert. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) unterschiedlicher maritimer Sektoren stehen vor der Herausforderung, vermehrt Prozesse, Produkte und Dienstleistungen zu digitalisieren. Kommunikations- und Schnittstellenlösungen sind – so vorhanden – oftmals nicht miteinander kompatibel. Dies erfordert einen hohen „Übersetzungsaufwand“. Dieser Herausforderung widmete sich unter Federführung der MARIKO GmbH das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt MariConnect. Im Rahmen des Innovationsforums MariConnect am 10. und 11. November 2021 befassten sich Experten aus den verschiedenen maritimen Sektoren – von der Reedereiwirtschaft, über den Schiffbau bis zum Hafenbetrieb – mit Schnittstellen und Übergabepunkten zum Austausch digitaler Daten und identifizierten Hindernisse aus dem Tagesgeschäft. Dabei wurden neben technischen Aspekten auch organisatorische und rechtliche Anforderungen und Hemmnisse berücksichtigt und beleuchtet.  

Brigitte Pottkämper vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) eröffnete mit Ihrem Grußwort die Veranstaltung und betonte die Wichtigkeit des Förderprogramms „Innovationsforen Mittelstand“, zu dem das Innovationsforum MariConnect zählt. Es soll dazu beitragen, dass neue Netzwerke entstehen, die eine kreative Zusammenarbeit mit Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft, aber auch aus Gesellschaft und Politik fördern. Durch eine solche interdisziplinäre Kollaboration können Innovationen für die Märkte von morgen entstehen. Damit wird ein wichtiger Beitrag geleistet, um den Wirtschaftsstandort Deutschland im globalen Wettbewerb zu stärken. 

Kommunikationssysteme und IT-Sicherheit 

Florian zum Felde von Waterway IT Solutions referierte zum Schwerpunktthema IT-Sicherheit und gab Handlungsempfehlungen zur IT-Gefahrenabwehr an Bord von Seeschiffen an. Dabei stellte er heraus, dass die größte Sicherheitslücke an Bord von Schiffen oft nicht technischer Natur, sondern die Besatzung sei, da die Crew an Bord in der Regel weder über ausreichende IT-Kenntnisse im Hinblick auf Sicherheitsrisiken noch über die Gelegenheit zur Aneignung dieser verfüge. Laut zum Felde fehle es an Bewusstsein für mögliche Gefahren, aber auch an Prozessen, die das Vorgehen im Falle eines Hacker-Angriffs beschreiben würden. Die Crew an Bord brauche Unterstützung und Aufklärung, u.a. wie mit sensiblen Informationen und Zugangsdaten umzugehen sei. Zum Felde empfahl regelmäßige Kampagnen zur Sensibilisierung sowie praxisnahe, relevante und attraktive Schulungen. 

Christian Fölster von der MD Inmarsat Deutschland GmbH widmete sich in seinem Vortrag dem Thema Kommunikationsnetzwerke der Zukunft. Fölster stellte in Aussicht, dass sich im Zuge der Digitalisierung der Trend nach mehr Datenerhebung, Transfer und Analyse fortsetzen wird. Die Nachfrage nach leistungsfähiger Kommunikationstechnik als auch passgenauen Konzepten und Tarifen zur Finanzierung erforderlicher Systeme und Transfervolumen, die den erhöhten Datenaustausch ermöglicht, werde insbesondere im Bereich der Satellitensysteme steigen. Infolgedessen würde ein Ausbau der Kapazitäten des Kommunikationsnetzes erfolgen. Fölster plädierte für eine Vernetzung mehrerer Kommunikationskanäle, hier für die Verknüpfung von unterschiedlichen Satellitensystemen und Funklösungen zur Übertragung von Daten und stellte mögliche Konzepte dafür anhand des Systems ORCHESTRA vor. 

Datenverfügbarkeit und –qualität 

Henning Gramann von GSR Services GmbH erläuterte die Anforderungen, Herausforderungen und Risiken im Hinblick auf die Datenverfügbarkeit und -qualität im Bereich IHM (Inventory of Hazardous Materials). Die rechtlichen Anforderungen schreiben eine zertifizierte und gepflegte IHM vor und betreffen zwei Drittel der Welthandelsflotte. Bei Nichteinhaltung drohen empfindliche Strafen. Die größte Herausforderung laut Gramann sei, dass die IHM eine neue Aufgabe für Werften, Reeder und Lieferanten darstelle. Bei der Identifikation und Nachverfolgung von relevanten Lieferungen gelte häufig das Prinzip „Quantität statt Qualität“, dabei würden Lieferanten oft ungerechtfertigterweise und somit unnötigerweise dazu aufgefordert, entsprechende Erklärungen und Materialdeklarationen zu liefern, was insgesamt nicht förderlich für die Akzeptanz zur Umsetzung aller Beteiligten beiträgt. Die Konsequenzen seien hohe Aufwände und Kosten bis hin zur Nichterfüllung von relevanten Anfragen und somit der konformen Umsetzung der Vorgaben. Laut Gramann sind die Gründe für eine solche Entwicklung zum einen das mangelnde Interesse der Beteiligten an der Thematik und zum anderen unzureichende Kenntnisse bezüglich der Prozesse bei involvierten Partnern. Oft würden automatisierte Datenschnittstellen zwischen den ERP-Systemen der Schiffsbetreiber und Dienstleistern fehlen, was nur eine manuelle Datenverarbeitung zulässt und so die Identifikation von Gefahrstoffen deutlich erschwert. Darüber hinaus betont Gramann die Notwendigkeit, Standards zu entwickeln, hier insbesondere auch die Entwicklung und Anwendung fester Artikelkataloge. Das Fehlen dieser mache das Verfahren unnötig zeitintensiv und fehlerbehaftet in Hinblick auf den sicheren Umgang mit allen Gefahrstoffen, die sich an Bord befinden. Laut Gramann können Schulungen dazu dienen, fehlendes Know-how aufzubauen und den Herausforderungen entgegenzuwirken.  

Digital Mindset und Skills  

„Technische Innovationen und globale Herausforderungen entwickeln sich in einem solchen Tempo, dass klassische Aus- und Weiterbildungsformate nicht mehr ausreichen!“, startete Dr. Joachim Stöter von C3L Center für lebenslanges Lernen – Uni Oldenburg seinen Vortrag mit einer These. Für das Lernen spiele auch die Unternehmenskultur eine große Rolle, die u.a. durch Vision, Strategie und Außendarstellung des Unternehmens definiert wird, aber auch durch Werte und Normen sowie Einstellungen und Gefühle der Beschäftigten. All diese Faktoren beeinflussen Entwicklungsprozesse, wozu auch Lernprozesse innerhalb eines Unternehmens zählen. Stöter hob hervor, dass ein „Top-Down“-Prinzip für Lernprozesse nicht förderlich sei, bei dem die Managementebene Anweisungen an die Mitarbeiter gibt. Er empfiehlt ein flexibles Verfahren, um die Beschäftigten zum Lernen zu motivieren. Dabei können sowohl die Mitarbeiter Impulse an die Managementebene geben als auch umgekehrt. Darüber hinaus seien auch Zwischenevaluationen wichtig, um den Lernprozess bei Bedarf zu optimieren. Laut Stöter setzen viele Konzepte das Selbstlernen voraus, daher spiele die Motivation der Lernenden eine große Rolle. Aus diesem Grund müssen sich die Konzepte an der Qualifikation und den Bedürfnissen der Lernende orientieren. Vor allem sei die gezielte Nutzung des Vorwissens wichtig sowie Schulungen, die ortsungebunden und innerhalb flexibler Zeitfenster absolviert werden können. 

Software und Plattformen sowie Standardisierung und Normierung von Daten und Schnittstellen 

Alena Frey und Birgit Kreiensiek von dbh Logistics IT referierten in ihrem gemeinsamen Vortrag über Port Community Systeme am Beispiel von dbh sowie Standardisierungsbedarfe hinsichtlich Daten und Schnittstellen. Kreiensiek sieht die Problematik in der Vielzahl verschiedener Nachrichten und Akteure sowie den eindeutigen Bedarf, Nachrichten zu vereinheitlichen, um einen effizienten Datenaustausch zwischen den Akteuren zu ermöglichen. Aus ihrer Sicht gilt es, die Datenqualität zu optimieren, u.a. durch fest vereinbarte Formate und festgelegte Vorgaben. Selbes gilt auch für die Prozesse zwischen den Akteuren. Oftmals prallen die Anforderung an Warenwirtschaftssysteme für Produktion auf Anforderung der Logistik. Es gelte, gleiches Wording zu entwickeln und für gegenseitiges Verständnis der Prozesse zu sorgen, aber auch, Formate für Kernprozesse zwischen den Hauptakteuren sowie die Kommunikationsform zu erarbeiten.   

Gefördert wird das Projekt „MariConnect“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) wirkt als Projektträger. Im Rahmen der Initiative „Innovationsforen Mittelstand“ werden Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft aufgefordert, gemeinsam die Grenzen von Institutionen und Branchen zu durchbrechen und neue Bündnisse zu schaffen. Die Förderinitiative soll mittelständischen Unternehmen auf regionaler und überregionaler Ebene bessere Voraussetzungen schaffen, um eigene Innovationsaktivitäten und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. (vgl. „Innovationsforen Mittelstand“ unter https://www.innovation-strukturwandel.de/) 

 

Hintergrund: Digitalisierung in der Branche 

Neue Handelsbarrieren, rückgängige Fracht- und Charterraten sowie limitierte CO2-Emissionen; der maritime Sektor wird neben einem sich wandelnden Umfeld mit einem erhöhten Wettbewerbsdruck konfrontiert. 

Hier können Digitalisierungstechnologien einen wesentlichen Beitrag zur unternehmens- und marktspezifischen Entwicklung leisten. Diese ermöglichen kleinen und mittleren Unternehmen, sich im stetig verändernden Wettbewerbsumfeld zu behaupten. Voraussetzungen dafür sind die Verfügbarkeit geeigneter digitaler Infrastrukturen, ein hohes Maß an Datensicherheit sowie ausreichende digitalen Kompetenzen in der Aus- und Weiterbildung des seemännischen, logistischen, hafenwirtschaftlichen sowie betrieblichen und industriellen Fachpersonals.